Dienstag, August 25, 2009

Ich doch nicht

Lukas 18,9-14
Mit einem Gleichnis wollte Jesus die Leute treffen, die sich gerecht vorkamen und hochmütig auf andere herabsahen:
„Zwei Männer, ein Pharisäer und ein Zolleinnehmer, gingen in den Tempel, um zu beten. Selbstsicher stand der Pharisäer dort und betete: Aber der Zolleinnehmer blieb verlegen am Eingang stehen und wagte kaum aufzusehen. Schuldbewusst betete er: Ihr könnt sicher sein, dieser Mann ging von seiner Schuld befreit nach Hause, nicht aber der Pharisäer. Denn der Stolze wird gedemütigt, und der Demütige wird erhöht werden.“

In diesem Gleichnis sagt Jesus, was er schon in
Lukas 14,11 gesagt hat:
"Wer sich selbst erhöht, der soll erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der soll erhöht werden."

und in Lukas 16,15 zu den Pharisäern:
"Ihr seid’s, die ihr euch selbst rechtfertigt vor den Menschen; aber Gott kennt eure Herzen; denn was hoch ist bei den Menschen, das ist ein Greuel vor Gott."

Ein Christ soll nicht hochmütig sein und nicht das, was bei den Menschen hoch ist, suchen. Wenn er es trotzdem tut, ist er nicht mit Gott zusammen.

Das sagt mir Jesus hier zur Belehrung.

Aber was soll das? Erstens weiss ich das schon lange, zweitens bin ich nicht ganz sicher, ob das immer zutrifft und drittens bin ich doch nicht hochmütig.

Das ist ein Gleichnis, eine Geschichte, die mir mehr sagen will, als dass ich verstehe, dass der Pharisäer ein Böser und der Zöllner ein Guter ist.

Es gibt die ja gar nicht mehr:
• Pharisäer waren eine Zweig des jüdischen Glaubens, fromme Richtung.
• Zöllner heissen heute Grenzwächter oder Zollbeamte und die sind kaum mehr der Inbegriff der Abzocker und Betrüger.
• Wir gehen nicht in einen Tempel um zu beten.
• Und (was ganz verhängnisvoll ist) wir fragen nicht mehr, wer gerecht vor Gott ist.

Damals: Die Haltung des Pharisäers ist echt und entspricht dem Selbstverständnis der damaligen Pharisäer.
Seine Selbstwahrnehmung ist in unseren und Gottes Augen gestört. Aber er sah sich ehrlich so und wohl auch die meisten seiner Zeitgenossen sahen ihn als wirklich gut vor Gott. Ich kann mir vorstellen, dass der Zöllner auch ein hohes Ansehen von diesem Pharisäer hatte. Er hat wohl kaum gedacht: „Ach was ist das für ein Hochmütiger.“

Der Pharisäer ist fromm. Und das ist zuerst einmal gut. Nun tut er aber mehr, als die Bibel verlangt – so versäumt er das oberste Gebot: Liebe Gott und den Nächsten.

Wir rufen schnell: „Gottlob, dass ich kein Pharisäer bin!“ Und werden damit gleich selber zum Pharisäer.

Wir können auch in der Rolle des Zöllners scheinheilig sein. Dazu sagte einer einmal:

„Das Christentum kam und lehrte: Du sollst nicht stolz und eitel sein und oben am Tisch sitzen – flugs sassen Stolz und Eitelkeit unten am Tisch.“ (Nach Sören Kierkegaard)

Es ist nicht so sicher, wem ich in diesem Gleichnis ähnlicher bin – dem Pharisäer oder dem Zöllner.

1. Sam 16,7 Aber der HERR sprach zu Samuel: "Sieh nicht an sein Aussehen und seinen hohen Wuchs; ich habe ihn verworfen. Denn nicht sieht der HERR auf das, worauf ein Mensch sieht. Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an."

Wir haben Wahrnehmungsstörungen!

Wir Menschen sind komplizierter und undurchsichtiger als wir es gerne hätten. Wir täuschen und lassen uns täuschen. Wir finden immer wieder Wege – und das sind lange nicht immer ehrliche Wege.

Mein Wunsch ist es, dass ich und wir sehen könnten, wie Gott sieht: in das Innere. Einsicht bekommen – nicht nur Ansichten.

Ferienzeit: Wir haben viele Ansichtskarten bekommen und verschickt – sie zeigen nichts von dem, was wir wirklich in den Ferien erlebt haben: Die Mückenstiche, das schmutzige Wasser, die Blasen an den Füssen, das schlechte Essen, die lange Autofahrt,….
Auch das Schöne zeigt die Ansichtskarte nicht: Die guten Worte in der Familie, das herrliche Gefühl einer Abkühlung im Wasser, der Duft einer Speise die mir das Wasser im Mund zusammenlaufen liess….



Das ist ein Schrank.
Wirklich ein Schrank!
Der hat was drauf und da passt was rein.
Und er ist auch schön – gefertigt, dieses Holz, die Strukturen und Formen. Dieses Laminat.
Er stellt was dar, er ist wer – unter den Schränken.
Auch die Rückseite – stabil, zweckdienlich, klar.

Wir Menschen suchen tagaus, tagein auch solche Schränke zu sein. Sicher nicht alle gleich – aber diese Ansicht muss stimmen. Die Leute sollen sagen können: „Puah, wauw!, ohh!“

Es geht auch darum, dass der in die Norm passt. Euronorm, Wohnraumausnützungsziffer und DIN - Deutsche Industrie Norm.

Die Fassade stimmt.
Natürlich hat jeder seine Fehler. Auch dieser Schrank – schaut man genau hin – ein Fleck!
Aber da kann man dran arbeiten – und muss es auch – oder?

Also ganz wichtig ist, dass da kein Schlüssel steckt. Denn mit dem Schlüssel könnte man den Schrank öffnen und hineinsehen und sehen, was da drin ist….

Wir lassen uns nicht in das Innere blicken. Wegen Hochmut, Selbstgerechtigkeit, Überheblichkeit, Verachtung der Andern sucht niemand einen Seelsorger auf oder lässt sich therapieren.

Auch du lässt dir da kaum reinblicken. Niemand – meist auch du selber nicht – haben diesen Schlüssel reingesteckt und geöffnet und reingeschaut.
Ich denke, dass uns diese Sicht auch nur bedingt möglich ist. Gott allein kann wirklich alles in uns fehlerfrei sehen. Aber von dieser inneren Wahrnehmung wäre mehr möglich als wir es praktizieren.
Wir haben Angst – wohl auch berechtigte Angst – dass da ganz Anderes als diese schöne Aussenseite zum Vorschein kommt.

"Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an."

Wir vergleichen uns äusserlich. Das gibt eine falsche Wahrnehmung. Gott aber vergleicht innerlich – da müsste man hinsehen.

Wir wissen, da ist was drin: Gedanken, Gefühle, ein Herz das unruhig schlägt, Fragende Hohlräume, schreiende Erinnerungen, zweifelnde Erklärungen, prägende Geschichten, hindernde Ängste, erschütterndes Trauma, verdrängte Träume, Ahnung von Glück, zertretende Sehnsucht, ….

Wir wagen es – nur hier und jetzt – als Anschauungsstück – den Schrank zu öffnen.




Wie wäre es mit aufräumen…

Ich will nicht sagen, dass alles im Menschen böse und schlecht ist. Es gibt Gutes – ich denke es gibt sogar in jedem Menschen Gutes.
Leider ist auch das oft fest eingeschlossen.

Aber ich bin ganz und gar nicht einverstanden mit der volkspsychologischen Anweisung, dass man nur das Gute im Menschen suchen und sehen und fördern muss und dann käme es schon gut.

Hier drin ist immer auch Böses, Falsches, Sünde, Schuld. Und mit dem wird schlussendlich nur Jesus fertig.

Nehmen wir Hochmut und Stolz. Der kann auch ganz subtil in dir drin gären und äusserlich kaum sichtbar sein: Der demütige Zöllner am Eingang des Tempels hat tief in sich drin vielleicht einen ungeheuren Stolz auf seine Demut und fühlt sich höher als der Pharisäer, der ja von Jesus erniedrigt wird.
Dass bei schönen Fassaden meist nichts Gutes dahinter ist, wissen wir. Doch leben wir’s auch?
Dass bei weniger schönen Fassaden meist Gutes ist, glauben wir nicht und es ist auch nicht so.

Obschon Jesus sagt, dass er alles neu macht – und das macht er auch, wenn wir uns ihm hinwenden, ist noch nicht alles neu.
Obschon Jesus sagt, dass er uns ein neues Herz einpflanzen will – und das macht er auch, wenn wir uns ihm hinwenden - gibt es da noch Ecken und Gänge, die noch nicht neu sind.

Und dieses noch nicht Neue – das ist die Sünde.

Dazu schreibt Johannes: "Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit." (1. Johannes 1,9 - sehr aufschlussreich sind auch die vorangehenden und nachfolgenden Verse)

Der Zöllner hatte diese innere Einsicht: Gott sei mir Sünder gnädig!
Der Pharisäer hatte sie nicht – er war nach aussen konzentriert.

Es liegt nicht daran, ob wir Pharisäer oder Zöllner sind – es liegt daran, ob wir unser Inneres erkennen als ein unüberschaubares Etwas, indem sich immer und immer wieder Sünde tümmelt und räkelt und sich dann auch nach aussen bemerkbar macht.

Wir müssen keine Nabelschau veranstalten – wir müssen tiefer sehen und begreifen – ich und du sind Sünder, weil wir Sünde in uns tragen. Als Sünder sind wir nicht kompatibel mit Gott. Als Sünder können wir nicht mit Gott zusammenleben. Als Sünder sind wir nicht recht vor Gott.
Wir müssen nicht zuerst fragen, was Sünden sind. Wir müssen damit rechnen, dass wir Sünden haben – ob sichtbar oder unsichtbar (wie gesagt, da hinein sieht keiner und du selber schaust auch nicht so schnell rein). Es geht um meine Sündenerkenntnis. Habe ich erkannt, dass ich sündig bin und Jesus nötig habe oder habe ich meine Ausreden und rechtfertige mich selber?

Als Sünder darf ich mich David anschliessen, der seine Sünde erkannt hat und nun betet: Psalm 51

3 Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte, und tilge meine Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit. 4 Wasche mich rein von meiner Missetat, und reinige mich von meiner Sünde; 5 denn ich erkenne meine Missetat, und meine Sünde ist immer vor mir. 6 An dir allein habe ich gesündigt und übel vor dir getan, auf dass du Recht behaltest in deinen Worten und rein dastehst, wenn du richtest. 7 Siehe, ich bin als Sünder geboren, und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen. 8 Siehe, dir gefällt Wahrheit, die im Verborgenen liegt, und im Geheimen tust du mir Weisheit kund. 9 Entsündige mich mit Ysop (kleiner Strauch, wurde bei den Israeliten zur rituellen Reinigung gebraucht – Türpfosten beim Auszug aus Aegypten), dass ich rein werde; wasche mich, dass ich schneeweiß werde. 10 Lass mich hören Freude und Wonne, dass die Gebeine fröhlich werden, die du zerschlagen hast. 11 Verbirg dein Antlitz vor meinen Sünden, und tilge alle meine Missetat. 12 Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist. 13 Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen Heiligen Geist nicht von mir. 14 Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüste mich aus.

15 Ich will die Übertreter deine Wege lehren, dass sich die Sünder zu dir bekehren. 16 Errette mich von Blutschuld, / Gott, der du mein Gott und Heiland bist, dass meine Zunge deine Gerechtigkeit rühme. 17 Herr, tu meine Lippen auf, dass mein Mund deinen Ruhm verkündige. 18 Denn Schlachtopfer willst du nicht, / ich wollte sie dir sonst geben, und Brandopfer gefallen dir nicht. 19 Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist - ein geängstetes, zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.

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