Mittwoch, September 12, 2007

Öffne mir die Augen!

Markus 8,22 In Bethsaida brachten die Leute einen Blinden zu Jesus. Sie baten ihn, den Mann zu heilen.

Fischershausen – Jesus heilt
Bethsaida: „Fischershausen“. Im Norden des Sees Genezareth. Ein Dorf, das Jesus als Prediger und Heiland erlebt hatte aber ihn nicht aufnahmen, ihn nicht sahen. Darum die Weherufe von Jesus über diese (und andere) Dorf: Matthäus 11,21.

Und Leute brachten einen Blinden zu Jesus. Das ist der richtige Ort, die richtige Person, wenn man blind ist. Auch wir sind manchmal darauf angewiesen, dass uns jemand führt, zu Jesus bringt. Und sie baten Jesus den Mann zu heilen. Das können wir: Jesus um Heilung bitten. Machen wir das? Das Angebot – zusammen Jesus um Heilung bitten, dafür beten – das besteht auf jeden Fall.

Weiter in Markus 8,23 Jesus nahm den Blinden bei der Hand und führte ihn zum Dorf hinaus. Dann strich er etwas Speichel auf seine Augen, legte ihm die Hände auf und fragte: «Kannst du etwas sehen?» 24 Der Mann blickte auf. «Ja», sagte er, «ich sehe Menschen herumlaufen. Aber ich kann sie nicht klar erkennen. Es könnten genausogut Bäume sein.»

Jesus nimmt den Blinden an die Hand. Er kommt ihm ganz nah. Und dann streicht er ihm Speichel auf seine Augen – warum auch immer – und legt ihm die Hände auf. Zum Heilen gehört Handeln. Und dann fragt er ihn, ob er etwas sehe.
Ja, ja, ich sehe Menschen herumlaufen – aber ich sehe sie nicht deutlich – es könnten auch Bäume sein.
Das ist eine alte Erfahrung: Wenn ich aus dem Dunkel komme, kann ich erst noch nicht deutlich sehen. Und ich sehe die Bäume, das Starke. Ich sehe undeutlich. Da braucht es noch eine Zeit, einen Weg der Heilung. Wer aus der Dunkelheit geführt wird, kann die Wahrheit, das Licht (und das ist Jesus) oft vorerst gar nicht sehen, nicht alles ertragen. Es braucht Zeit, es braucht eine schrittweise Einführung in das neue, „sehende“ Leben.

Jesus legt dem Mann noch einmal die Hände auf – und jetzt sah er ganz deutlich. Er war geheilt!

26 Aber Jesus befahl ihm: «Geh nicht erst in das Dorf zurück, sondern gehe gleich nach Hause!»

Es geht wohl nicht darum, dass diese Blindenheilung ein grossartiges Zeugnis für Jesus war: Keine Evangelisationsveranstaltung mit Heilungszeugnis.

Zum Dorf hinaus
Nun über Krankenheilung haben wir uns schon oft Gedanken gemacht – mir ist beim Lesen dieses Bibelabschnittes etwas ganz anderes ins Auge gestochen (wenn ich das im Zusammenhang mit Blindheit so nennen darf…).
Da steht zuerst 23 Jesus nahm den Blinden bei der Hand und führte ihn zum Dorf hinaus.
Und dann am Schluss sagt Jesus: «Geh nicht erst in das Dorf zurück,“.

Es war nötig, dass der Blinde aus seiner Umgebung, seinen Beziehungen im Dorf, dem Altbekannten, den Mustern die da täglich abliefen – herauskam.
Und damit die Heilung sich festigen konnte, anhielt, sollte er auch nicht wieder in das Dorf zurück.

Da sehe ich doch einen starken Hinweis auf unser Leben:
Ich muss manchmal das Althergebrachte verlassen, das Dorf verlassen, damit mir die Augen aufgehen.
· Wie mancher musste sein Dorf, seine Familie, seine Beziehungen verlassen – hinausgehen – um sein Leben Jesus anzuvertrauen. Da steht er dann alleine, ausserhalb des Dorfes mit seiner Bekehrung.
· Es kann sein, wenn du Jesus ganz nachfolgst, dass du plötzlich ausserhalb des Dorfes stehst.

Da gibt es neben dem Kirchendistanzierten plötzlich auch den Dorfdistanzierten…

Es gibt ja viele gute soziale Beziehungen in einem Dorf. Manche von ihnen tragen und helfen. Aber es gibt auch die andere Seite des Dorfes: Schubladisiert, abgestempelt, kannst du dich nicht verändern. Die feste Hand des Dorfes hält dich gefangen.
Wie eine starke Klammer, wie eine schwere Decke, wie Nebel wird meine Sicht verdeckt. Wehe, wenn ich da nicht zum Dorf hinauskomme.
Ein Dorf kann mich so einengen, einbinden, vereinnahmen, dass ich gar nicht mehr richtig sehen kann. Ich sehe die Wirklichkeit nicht.
Wie mancher vertraut sein Leben wegen „des Dorfes“ nicht Jesus an.

Damit ich sehend werde muss ich zum Rahmen hinaus. Jesus führt mich da raus! Und er will auch nicht, dass ich in das Alte zurückgehe, zurückfalle.

Aber bin ich denn blind?
Ja, ich und wir alle sind blind. Z.B. kann ich blind sein für die Schönheit der Schöpfung, der Natur. Oder ich kann blind sein für den Nächsten. Oder ich bin blind für geistliche Wahrheiten.
Ich möchte hier noch in einer anderen Art aufzeigen, dass wir Menschen blind sind: Das Johari-Fenster. Es zeigt, dass wir alle blinde Flecken haben und dass es in unserem Leben auch unbewusstes Wissen gibt. Wissen, das nur Gott weiss.
(Siehe unter: wikipedia.org/wiki/Johari-Fenster)


Jesus will dir die Augen öffnen für seine Wirklichkeit.
Mancher von uns meint, so wie er es sieht, sei es auch. Und dann führt dich Jesus hinaus – und plötzlich sieht alles ganz anders aus.

Ich will bereit sein, dass mich Jesus hinausführen kann. Damit er mir seine Sicht zeigen kann. Los vom Alten hin zum Neuen.
Seine Sicht heisst „Reich Gottes“. Da funktioniert manches ganz anders als in der Welt. Da regiert Gott und nicht wir.

„Und geh nicht wieder zurück!“


Spiritualität
Für mich ist das ein klarer Hinweis: Hinausgeführt werden von Jesus aus dem Dorf, aus den Beziehungen. Vor Gott stehen – blind – und mir die Augen von Jesus öffnen lassen! Jesus berührt mich.
Das ist Spiritualität pur – ein Begriff, der modern daherkommt und oft von nichtchristlichen Geistern missbraucht wird. Z.B. ist Spiritualität in der Esoterik ein fester Bestandteil – aber diese Spiritualität hat einen andern Geist als den Heiligen Geist! Es gibt aber eine christliche Spiritualität. Und die gibt es schon seit Beginn des Christentums. Wir finden sie in der Bibel. Spiritualität meint geistliches Leben – unser Thema.
In unserem Text sieht man das sehr schön: Menschen brachten den Blinden zu Jesus. Dann aber tat Jesus das Entscheidende – er führte weiter und heilte.
Entscheidend ist also: Du und Jesus zusammen – draussen, ausserhalb des Dorfes.

Ein Ausdruck von christlicher Spiritualität ist zum Beispiel: Du kommst in den Gottesdienst und willst auftanken für die kommende Woche. Ein berechtigtes spirituelles/geistliches Bedürfnis. Aber deine Einstellung/Haltung wäre falsch, wenn du jetzt meinst, dass das automatisch vor sich geht. Da braucht es dein Gebet vor dem Gottesdienst: „Herr hilf mir, ich brauche dein Reden.“ Eine offene Haltung: „Herr füll du mich, ich bin schwach.“ Da braucht es Vorbereitung: Den Bibeltext der Predigt schon zu Hause lesen. Da braucht es eine gelassene, freudige Erwartung: „Auch in diesem Gottesdienst hat mir Gott etwas zu sagen. Führe du mich Jesus hinaus aus meinen Vorstellungen und hinein in deine Wahrheit.“

Wer aber im Gottesdienst sitzt und die Frisur der Vorderfrau begutachtet, sich über die schmutzigen Fenster ärgert oder dem die Musik zu laut oder zu leise oder zu richtig oder zu falsch ist, der immer wieder auf die Uhr schaut oder von irgendetwas träumt…Der kann nichts von Gott erwarten. Da kannst du lange um mehr geistliches Leben lechzen.

Wie willst du in der Welt bestehen, wenn dein geistliches Leben nicht stimmt? Wenn deine Beziehung zu Gott dermassen abgeflacht ist, dass du schon Wochen nicht mehr mit ihm gesprochen hast? Und dann gehst du an das Turnfest, an die Modellflugshow, an den Tag der offenen Türe auf dem Flughafen oder einfach auch nur irgendwo einkaufen – meinst du, dass du da als Christ, als Jesusnachfolger bestehen kannst, wenn du irgendwie gar nicht mehr so sicher bist, dass er da ist.

Ich habe nichts gegen all die Angebote um uns. Wir haben sogar einen Auftrag da hineinzuwirken! Aber wehe, wenn wir da hinein wollen und unser geistliches Leben ist nicht ok. Das geht schief.

Die christlich-spirituelle Bewegung wird immer gleich sein:
· Kapitulieren vor Gott: Einsehen, dass ich ein Sünder bin. Einsehen, dass ich blind bin. Einsehen, dass ich bedürftig bin.
· Ablegen, loswerden aller Last und allem was dem Gespräch mit Gott im Wege steht.
· Sein Reden aufnehmen – hören - er fragt dich „siehst du etwas?“, sein Wort die Bibel lesen.
· Darüber nachdenken, was du gelesen hast, was er dich fragt.
· Ihm antworten, die Antwort ist meist eine Tat.
· Und dann, tun, was du hörst, dass du tun sollst – im Vertrauen an Gott.

Beten und arbeiten – das waren noch immer die beiden Antriebsräder des christlich-geistlichen Lebens.
Das ist Spiritualität im christlichen Sinn.
Zuerst steht beten. Das kommt nicht von ungefähr. Mit Gebet beginnt die spirituelle Bewegung:
Jesaja 30,15:
In Umkehr und Ruhe liegt euer Heil; in Stillehalten und Vertrauen besteht eure Stärke!