Samstag, Februar 17, 2007

Jesus schafft Neues

Lukas 18,31 Er nahm aber zu sich die Zwölf und sprach zu ihnen: Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn. 32 Denn er wird überantwortet werden den Heiden, und er wird verspottet und misshandelt und angespien werden, 33 und sie werden ihn geißeln und töten; und am dritten Tage wird er auferstehen. 34 Sie aber begriffen nichts davon, und der Sinn der Rede war ihnen verborgen, und sie verstanden nicht, was damit gesagt war. 35 Es begab sich aber, als er in die Nähe von Jericho kam, dass ein Blinder am Wege saß und bettelte. 36 Als er aber die Menge hörte, die vorbeiging, forschte er, was das wäre. 37 Da berichteten sie ihm, Jesus von Nazareth gehe vorbei. 38 Und er rief: Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! 39 Die aber vornean gingen, fuhren ihn an, er solle schweigen. Er aber schrie noch viel mehr: Du Sohn Davids, erbarme dich meiner! 40 Jesus aber blieb stehen und ließ ihn zu sich führen. Als er aber näher kam, fragte er ihn: 41 Was willst du, dass ich für dich tun soll? Er sprach: Herr, dass ich sehen kann. 42 Und Jesus sprach zu ihm: Sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen. 43 Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach und pries Gott. Und alles Volk, das es sah, lobte Gott.

Dieser Text in der Bibel gehört zur Gattung „interessant aber nicht wichtig“. Ich habe den auch schon gelesen. Aber es scheint mir doch rätselhaft, was das mit mir, heute, zu tun haben sollte.

Dennoch: Was gibt mir eigentlich das Recht zu sagen, dass es wichtigere und unwichtigere Texte in der Bibel gibt? Ich habe mir ein Lehrgebäude aufgebaut – sicher nicht unbegründet und mit einigen Überlegungen – und danach ordne ich die Bibeltexte nach ihrer Wichtigkeit. Ich schubladisiere sozusagen die Texte in die Kommode meiner Bibellehre.

Gerade habe ich an einem Vortrag folgendes gehört: „Unser Problem ist nicht nur, dass wir zuwenig Bibel lesen, sondern auch, dass wir immer das Gleiche herauslesen.“

Das machen wir alle. Das gibt uns Sicherheit und gibt oft auch Antworten. Vieles geht dann auf. Dennoch – damit versperren wir uns manchmal auch neue Sichtweisen, neue Aussagen die dahinter stehen – eigentlich verschliessen wir dann ein Stück weit unsere Ohren für Gottes Reden.
Darum wage ich mich jetzt an diesen Text heran – ich möchte ihn verstehen! Ich möchte Dich Gott mehr verstehen – dich hören!

31 Er nahm aber zu sich die Zwölf und sprach zu ihnen: Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn. 32 Denn er wird überantwortet werden den Heiden, und er wird verspottet und misshandelt und angespien werden, 33 und sie werden ihn geißeln und töten; und am dritten Tage wird er auferstehen. 34 Sie aber begriffen nichts davon, und der Sinn der Rede war ihnen verborgen, und sie verstanden nicht, was damit gesagt war.
Jesus ist da auf dem Weg nach Jerusalem zur Vollendung seines Auftrages als Gottessohn in Gestalt des Menschensohnes. Von den alten Propheten seines Volkes vorausgesagt, in der Bibel nachzulesen.
Was er ihnen da sagt, ist das Zentrale an der biblischen Botschaft, ist der Kern der christlichen Religion: Der Gottessohn als Menschensohn wird verachtet, getötet und er steht am dritten Tag aus dem Grab auf.
An diesem Kern der biblischen Botschaft scheiden sich die Geister.
Beispiel: Christen und Moslems glauben eben nicht an den gleichen Gott.
Der Islam kennt Jesus als Propheten – das teilt er aber mit tausend anderen Propheten.
Der Islam kennt Jesus als Gesandter Gottes – auch diese Sendung teilt er mit acht anderen Gesandten.
Und der Islam kennt Jesus als Offenbarungsträger – und teilt das mit Mose und Mohammed.
Aber der Islam lehnt diesen Weg, den Jesus da geht – den Leidensweg, den Tod am Kreuz und seine Auferstehung ab.
Dieser Weg ist auch nicht sofort einleuchtend und auch nicht logisch: Gott der Schwache, Gott der sich opfert, Gott der stirbt,…
Und doch ist er die Wahrheit.

Jesus nicht erkennen – das ist gut möglich. Denn er ist anders. Er ist gegen das menschliche Bild von Gott – Gott der Starke, Allmächtige. Gott spricht leise. Gott wirbt liebend um die Menschenherzen. Gott kennt auch da keine Gewalt.

Jesus spricht mit seinen Jüngern. Mit denen, die ihn kennen, die schon viel mit ihm erlebt haben. Und nicht das erste Mal (Lukas 9,21-22; 9,43-45) sagt er ihnen hier, dass er leiden, sterben und am dritten Tag auferstehen wird.
Ist es das Reden in der dritten Person: „Der Menschensohn“, dass die Jünger nicht kapieren konnten?
Jesus spricht für die Jünger in Rätseln.
Und sie fragen nicht. Fragen hätte sie weitergebracht. Die rabbinische Schule hätte sie gelehrt zu fragen. Aber die Jünger waren nicht in dieser Schule. Sie waren in der Schule des Rabbis Jesu. Und der lehrt anders: Indem er mit ihnen einen Weg geht.

In Vers 34 wird dreimal betont, dass die Jünger nichts verstanden haben:
· Begreifen nichts
· Sinn ist ihnen verborgen
· Verstehen nicht
Später als all das geschehen war, verstanden sie dann schon. Ich kann da wohl besser verstehen, da ich zurückschauen kann. Doch etwas lässt mich schon nachdenklich werden: So ist Jesus eben auch – nicht immer klar und deutlich – für unseren Verstand zu gross – anstössig auch. Ich hätte auch nicht mehr verstanden als die Jünger damals. Und heute – verstehe ich? Wenn es zum Beispiel um zukünftige Dinge geht: Was wird geschehen, wann wird Jesus wiederkommen, wie wird er kommen, wie wird das Gericht sein, was wird mit meinen Angehörigen werden, was geschieht mit den Ungläubigen?
Ich möchte da nicht soweit gehen und sagen, dass ich nicht sicher bin, was mit mir geschieht – ich vertraue da ganz auf Gottes Wort, das mir sagt, dass mich Gott gerettet hat und ich gerettet bin. Und sein Heiliger Geist macht mich darin gewiss.
Aber wie viel verstehe ich nicht – von dem was um mich geschieht und auch von dem, was gesagt ist, was geschrieben steht, was ich zwar lesen, buchstabieren, einordnen kann – und trotzdem verstehe ich es in den Augen von Gott nicht.
Gottes Gedanken sind grösser und nicht erforschbar, begreifbar.
Welcher der Jünger hätte denn in dem Moment mit der Katastrophe gerechnet, dass Jesus leiden und sterben wird? Das war jenseits ihres Horizontes.
Ich frage mich, wie eng ist mein Horizont?
Wenn Gott in unserer Jahreslosung sagt „ich will ein Neues schaffen“ – wie eng sehe ich dieses Neue? Darf das Neue aus meinem Horizont fallen? Darf das Neue meine Ordnung sprengen? Darf das Neue in mein Gerüst eingreifen?

Jesus weiss um mich und er wird mich nicht irre gehen lassen – das ist meine Hoffnung und mein Gebet an ihn.

Auf dem Weg dort nach Jerusalem, die Zerreissprobe vor ihm, Leiden und Tod vor ihm, weltverändernde Geschehnisse vor Augen,
sieht Jesus den bettelnden Blinden – nimmt sich seiner an, ruft ihn zu sich, spricht mit ihm, fragt ihn, was er wolle, was er brauche, hört ihm zu und erhört ihn – heilt ihn.
Das ist Jesus!
Zwei Seiten von Jesus lerne ich hier kennen: Der Sohn Gottes als Menschensohn – bewegt sich bewusst, erfüllt mit dem göttlichen Auftrag, auf seine Hinrichtungsstätte zu, damit die Welt gerettet würde.
Und auf diesem Weg ist Jesus ganz nah beim Blinden – nur für ihn da.

35 Es begab sich aber, als er in die Nähe von Jericho kam, dass ein Blinder am Wege saß und bettelte. 36 Als er aber die Menge hörte, die vorbeiging, forschte er, was das wäre. 37 Da berichteten sie ihm, Jesus von Nazareth gehe vorbei. 38 Und er rief: Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! 39 Die aber vornean gingen, fuhren ihn an, er solle schweigen. Er aber schrie noch viel mehr: Du Sohn Davids, erbarme dich meiner! 40 Jesus aber blieb stehen und ließ ihn zu sich führen. Als er aber näher kam, fragte er ihn: 41 Was willst du, dass ich für dich tun soll? Er sprach: Herr, dass ich sehen kann. 42 Und Jesus sprach zu ihm: Sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen. 43 Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach und pries Gott. Und alles Volk, das es sah, lobte Gott.

Ich hätte da ja noch gerne mit dem gesprochen, der seit Geburt an blind ist und ihn gefragt, wie er mit solchen Bibelstellen umgehe, was ihm da so für Gedanken und Gefühle hochsteigen und es hätte mich auch wunder genommen, was seine Mitchristen so alles mit ihm anstellen – ich meine so in Richtung: Richtig beten, Speichel auf die Augen streichen, fasten und beten, Dämonen austreiben,…

Einige Beobachtungen zu diesem Abschnitt:
Im Gegensatz zu den Jüngern vorhin, forscht – also fragt der Blinde – und kommt in seinem Leben weiter. Die Leute klären ihn auf, geben ihm Informationen.
Er hatte wohl schon von Jesus gehört – so kann er ihn als „Sohn Davids“ einordnen.

Vers 39: „die vornean gingen“ wiesen den Blinden ab. Das ist immer wieder die grosse Gefahr der Kirche: Verantwortliche weisen die vermeintlich Störenden, Schwachen, Kranken, Hilfsbedürftigen ab. Sie tun das nicht böswillig. Sie haben eine andere Sicht – Jesus muss durch dieses Gedränge vorwärts kommen – das Grosse muss vorwärts gehen – hier Jesus auf dem Weg. Doch das Neue, das Gott schafft ist nicht einklemmbar in menschliche Strukturen. Jesus hält auf seinem Weg an und heilt den Blinden! Ich will mir das zu Herzen nehmen! Ich will mich immer wieder auf meinem Weg stören lassen und mich um Bedürftige kümmern. Manchmal „geht“ nichts, weil Jesus gerade bei einem Menschen stehen bleibt. Aber dann „geht“ wirklich was!
Das ist die eine Seite – die andere ist auch da: Jesus ist weitergegangen und die anderen Blinden, die ganz sicher auch noch in der Nähe von Jericho waren, hat er nicht angerührt.
Das ist das, was ich am Anfang gemeint habe mit: Jesus ist oft anders als ich meine – anstössig, nicht schubladisierbar.

Ich merke hier auch – ich bin nicht Jesus. Er ist zwar mein Vorbild, ihm wende ich mich zu, ihm folge ich nach, von ihm lerne ich. Aber oft kann ich nicht, was er kann. Hier: Diesen schweren Weg gehen und gleichzeitig den Blinden heilen.

Bei den „Blindeheilungsbibelstellen“ ist oft die gängige Auslegung etwa so: „Der Blinde, das sind wir alle in unserer geistlichen Blindheit.“ Das geht! Und da gibt es auch Heilung.
Aber ich möchte das jetzt einmal auf die Diskussion über unser sozial-diakonisches Handeln übertragen – der Blinde ist der Hilfsbedürftige:
1. Also den gilt es zu sehen. Auch wenn sich andere dagegen sträuben – z.B. die, die vorangehen.
2. Der Hilfsbedürftige ist oft, nach meiner Erfahrung blind für seine Situation. Er sieht sie nicht aus Distanz, sondern er sieht sich als Opfer, als Aermster und ist blind in seinem Selbstmitleid.
3. Die Hilfsbedürftigen stehen sich oft selber im Weg, dass ihnen geholfen wird.
a. Sie fragen nicht – oft auch nicht nach Jesus
b. Sie glauben nicht – das erkennt man daran, dass sie nicht wissen, was Jesus an ihnen tun soll.
c. Sie sitzen am Wege und betteln V. 35.
4. Und der Text lässt mich fragen: Bekommt der Hilfe, der am lautesten schreit?

Es ist dieser Jesus, der damals von Jericho nach Jerusalem hinauf ging, in den Tod und in die Auferstehung – der helfen kann, der heilen kann, der Neues schaffen kann.
Und er sagt: „Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s nicht?“ Jesaja 43,19